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Im Land der Kiwis – mit dem Rad auf dem Otago Central Rail Trail

Der Regen peitscht uns ins Gesicht, bei dem starken Wind ist es schwer, Kurs zu halten. Unsere Klamotten sind durchnässt, wir sind den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert. Denn wir sitzen leider nicht im Auto oder dem Zug, sondern auf dem Fahrrad. Die Temperaturen sind mittlerweile auf unter 10 °C gefallen. Ich frage mich, warum mehr als 20.000 km ans Ende der Welt reisen müssen, um Regen, Kälte und Wind hautnah zu erleben. Aber bevor ich völlig sauer werde, hörte der Regen auf und die Sonne lässt sich gelegentlich blicken. Da macht das Fahrradfahren schon deutlich mehr Spaß.

Start der Radtour auf dem Otago Central Rail Trail in Dunedin

Dabei hat alles so schön und romantisch angefangen. Unsere Radtour auf dem berühmten Otago Central Rail Trail startet am Bahnhof von Dunedin, der zweitgrößten Stadt der Südinsel Neuseelands. Dunedin, wegen seines schottischen Ursprungs auch als Edinburgh Neuseelands bezeichnet, ist eine lebendige und charmante Universitätsstadt. Mit ihrer Lage am Meer und am Fuße einer imposanten Bergkette ist sie idealer Ausgangspunkt für die Erkundung der abwechslungsreichen und dramatisch schönen Natur in der näheren und weiteren Umgebung. 

Herrliche Panoramaaussichten und einzigartige Landschaftsszenerie

Durch diese herrliche Landschaft wollen wir auf dem Otago Central Rail Trail fahren, einem 152 Kilometer langen Radwanderweg von Middlemarch nach Clyde. Er verläuft auf der Trasse der alten Otago Central Railway, die 1990 stillgelegt wurde. Auf einem Teilstück verkehrt heute die Museumseisenbahn Taieri George Railway, die uns von Dunedin nach Middlemarch, zum eigentlichen Startpunkt unserer Radtour, bringt. Nicht nur für eingefleischte Eisenbahnfans wie mich ist diese Fahrt im Nostalgiezug ein Erlebnis. Die Panoramaaussichten auf die dauernd wechselnde Landschaftsszenerie sind einzigartig und unglaublich schön. Wir lehnen uns zurück, genießen die Eisenbahnfahrt und die herrlichen Blicke aus dem Fenster. Leichte Angespanntheit und freudige Erwartung liegen in der Luft. Wir wissen nicht, was in den nächsten Tagen auf uns zukommen wird.

Und dann stehen wir mit unseren Mieträdern einsam in der weiten Landschaft. Früher lebten hier ein paar Goldgräber, dann kamen die Schafzüchter und jetzt die Radfahrer. Wir sind alleine unterwegs, weit und breit kein Mensch zu sehen. Unser Gepäck ist bereits auf dem Weg zu unserer ersten Unterkunft, wir haben die komfortable Variante mit reservierten Unterkünften und Gepäcktransport gewählt. Wir stellen die Sattelhöhe ein, prüfen Bremsen und Reifendruck, setzen unseren Tagesrucksack auf, schauen nochmals auf unsere Straßenkarte, trinken einen Schluck Wasser, steigen auf unsere Räder und radeln los – unser Radabenteuer in Neuseeland kann beginnen.

Radeln durch die „Herr der Ringe“- Landschaft

Das Wetter ist wechselhaft, auf der perfekt ausgebauten Schotterpiste kommen wir gut voran. Das entspannte Radeln durch die wild-romantische Landschaft ist herrlich, die Szenerie vom ersten Kilometer an beeindruckend. Wir können gut nachvollziehen, warum hier Teile der Filmtrilogie Herr der Ringe gedreht wurden. Die Atmosphäre wechselt immer wieder von heiter-sonnig zu düster-gespenstisch. Am späten Nachmittag nimmt der Wind zu, der Regen leider auch, das Radfahren wird anstrengender. Nach 36 Kilometern erreichen wir völlig durchnässt den vereinbarten Treffpunkt in Ranfurly, dem Ziel unserer heutigen Etappe. Grant, unser Gastgeber, holt uns am ehemaligen Bahnhof – heute nicht mehr als ein alter Holzschuppen – ab. Nass, wie wir sind, steigen wir in sein Auto, die Fahrräder lädt er auf seinen Anhänger.

Übernachtung in der Old Doctor`s Residence in Naseby

Grant bringt uns zur Old Doctorʼs Residence in Naseby, unserem ersten Nachtquartier auf dieser Radtour. Jan, Grants Frau, wartet in ihrer Residence schon mit Tee und Gebäck auf uns, aber wir brauchen zuerst eine heiße Dusche und trockene Kleidung. Statt des Tees trinken wir dann lieber ein Glas Wein mit Jan und Grant und unterhalten uns angeregt über das Leben in Neuseeland. Die beiden entschuldigen sich für das schlechte Wetter und versichern uns, dass hier im Sommer – also in unserem Winter – Temperaturen von bis zu 40 °C normal seien, aber ausgerechnet dieses Jahr das Wetter verrücktspiele. Diese Feststellung hören wir zu allen Jahreszeiten überall auf der Welt: Das Wetter spielt verrückt, nichts ist mehr so wie früher. Für mich besteht kein Zweifel, dass dies die Vorboten des unser aller Leben dramatisch verändernden Klimawandels sind.

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